Zinsfreie Zeiten?
Die Zinssätze sind über alle Laufzeitbänder auf historische Tiefstsätze gesunken. Die Prognosen für die kurzfristigen Zinsen sehen keine wesentlichen Änderungen im Kurz- bis mittelfristigen Bereich. Im langfristigen Bereich werden gemäßigte Zinserhöhungstendenzen gesehen. Dies bleibt aber abzuwarten.
Müssen wir uns also auf eine wirtschaftliche Umgebung „nahezu ohne“ Zinsen einrichten? Was bedeutet das? Wie werden die Folgen sein?
Neben den bekannten entfallenden Sparzinsen, die die Vermögensbildung im klassischen Geldbereich unwirtschaftlich machen freuen sich viele Kreditnehmern über niedrige Kredit-Zinssätze für Finanzierungen. Dies führt schon zu steigenden Immobilienpreisen in guten Lagen. Zinsen werden in Zukunft weniger von der Laufzeit als von der Kreditmarge bestimmt. lange Zinsbindungsfristen, bisher ein Hort der Absicherung, werden an Bedeutung verlieren. Die Kunden werden auch eher kfr. Zinsvereinbarungen akzeptieren, da nur eine geringe Zinserhöhungsgefahr besteht. Die klassische, langfristige Baufinanzierung sowie der Pfandbrief werden an Bedeutung verlieren.
Was passiert, wenn die Situation eine Zeit so bleibt? Wird die vorhandene Liquidität – wie bereits heute zu sehen – verstärkt in Immobilien und Aktien investiert?
Das würde dazu führen, dass sich die Immobilienpreise dauerhaft auf einen höherem Level festigen werden. Der Aktienmarkt wird sich ebenfalls auf einem höheren Niveau und einem niedrigerem KGV einpendeln. Auch andere, alternative Investitionsmöglichkeiten werden zu den Gewinnern dieses Szenarios gehören. Die Risikobereitschaft der Investoren und Privatanleger wird zwangsläufig steigen.
Die Banken werden allerdings mittelfristig – unabhängig vom aktuellen Wettbewerbsdruck – die Kreditmargen erhöhen müssen, da die die bisherigen wichtigen Einnahmenquellen wie Fristentransformation in Zeiten der flachen Zinsstrukturkurven nicht mehr sprudeln und der Eigenhandel auch nicht mehr in dem bisherigen Maße trägt.
Da Kapitalsammelstellen etc. auch Anlagepotential suchen werden diese den Banken im Fremdkapitalbereich Konkurrenz machen und den Margenanstieg mindern. Im Ergebnis wird es eine weitere Restrukturierung im Bankenmarkt geben. Vor allem kleinere Banken, Sparkassen und Volksbanken denen weitere Einkommensquellen wie das Investmentbanking und der Zugang zu anderen Märkten fehlen, werden einem erhöhten Kosten- und Fusionsdruck unterliegen.
Es bleibt aber zu beachten, dass diese Situation eine neue und bisher Ungewöhnliche ist. Ob die niedrigen Zinsen tatsächlich langfristig niedrig bleiben bleibt abzuwarten. Dies hängt maßgeblich auch von der Zinspolitik der EZB ab. Deren Ziel wird nur durch eine Inflation oberhalb des Zinsniveau erreichbar sein 😉 Die nachhaltige Schwäche der Euro-Staaten ist und bleibt derzeit ein Garant niedriger Zinsen…