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Wirtschaftliche Rahmendaten zur Zinsentwicklung April 2016

07.04.2016 Allgemein,Finance Keine Kommentare

1. BIP-Prognose
Die letzten Prognosen für 2016 (Stand März 2016) der Institute haben sich etwas abgeschwächt – auf ca. 1,3 % bis 2,0 %. Der Mittelwert liegt bei ca. 1,65 %. Für 2017 liegen die aktuellen Prognosen zwischen 1,3 % und 2,3 %, also mit einer höheren Spanne der Abweichungen. Der Mittelwert liegt allerdings ebenfalls bei ca. 1,65 %.

Fazit: In Deutschland wird ein leichtes Einbremsen der Entwicklung – auch aufgrund der Schwäche wichtiger Importländer – erwartet. Die Wachstumserwartung bleibt (noch) stabil positiv, liegt aber leicht unter dem EU-Durchschnitt. Das Wachstum im EU-Durchschnitt soll aber ab 2017 wieder leicht fallen. Nur eine schuldenfinanzierte Investitionsoffensive könnte kurzfristig Wachstums- und Inflationsimpulse geben – da ist derzeit nicht absehbar.

2. Wesentlicher Einflussfaktor der Inflation: Der Ölpreis
Die IEA (International Energy Agency) erwartet kurz- bis mittelfristig weiter fallende Ölpreise aufgrund einer weiter zunehmenden Überkapazität an Öl, insbesondere aufgrund der sinkenden Nachfrage in China (Stand 2016).

Moodys prognostiziert mittelfristig niedrige Ölpreise und hat entsprechend Öl exportierende Länder herabgestuft.
Der aktuelle Ölpreis liegt bei 40 USD, ausgehend von ursprünglich unter 20 USD in Mitte Januar. Die OPEC plant bis 2020 mit 70 USD und – sehr langfristig – 2040 mit 95 USD.

Fazit: Der Ölpreis wird nicht signifikant steigen, selbst wenn Länder wie Saudi-Arabien und Russland die Produktion drosseln sollten, da neue Anbieter, wie der Iran, auf den Markt drängen. Selbst ein Ölpreis von 100 USD hatte in jüngerer Vergangenheit die Inflation nicht über 2 % getrieben

3. Inflationsprognose
Auf Basis der von der EZB durchgeführten Survey of Professional Forecasters (Stichtag 22.01.2016) wurde die Inflationserwartung für
 2016 auf 0,7%,
 2017 auf 1,4 % und
 2018 auf 1,6 %
gesenkt. Die Inflation im Februar 2016 war mit 0,2% negativ, der März weist – 0,1% auf. Es ist also möglich, dass die Erwartung unterschritten und ein Jahreswert nahe „null“ erreicht wird. Daher drohen hier weitere Maßnahmen der EZB, um deflationäre „Zweitrundeneffekte“ zu vermeiden.

Der Wechselkurs des Euro hat sich unerwartet zu Gunsten des Euro entwickelt, da die FED die Zinsen nicht wie erwartet weiter anhebt. Der Wechselkurs ist neben den Leitzinsen der am schnellsten auf die Inflation wirkende Faktor.
Fazit: Die Inflation wird flach bleiben und wesentlich vom Ölpreis beeinflusst. Zusätzlich verbilligt der unerwartet starke Euro die Importe und mindert damit die Inflation zusätzlich. Meines Erachtens wird die EZB letztendlich auch kein Helikoptergeld austeilen; die Wirkung wäre zudem auch nur begrenzt. In den USA wurde diese Maßnahmen in 2008 auch lediglich zur Stärkung des Wirtschaftswachstums eingesetzt und nicht originär zur Inflationserhöhung.

4. Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosenquote fiel in 2015 bis auf 6,0 % (November) und stieg dann (auch aufgrund der Flüchtlingszuwanderung sowie aus saisonalen Gründen) auf bis zu 6,7 % im Januar 2016 an. Im Februar fiel die Quote dann auf 6,6 %. Die Prognosen der verschiedenen Institute für 2016 liegen zwischen 6,0 % und 6,5 %. Es werden scheinbar keine weiteren Steigerungen aus Zuwanderung erwartet. Für 2017 liegen die Erwartungen ca. 0,25 % höher. Die Löhne könnten aufgrund der guten Beschäftigungslage also steigen und die Inflation befördern, auch wenn in der Eurozone die Quote noch zweistellig ist.

Fazit: Derzeit scheint es kein Risiko deutlich steigender Arbeitslosigkeit zu geben.

5. Staatsverschuldung Euro-Raum bzw. EU
Im Euro-Raum wird sich die Staatsverschuldung trotz niedrigster Zinsen von 91,3 % des BIP (2015) auf 93,5 % (2017) erhöhen. Deutschland versucht die Schulden zu drücken, ob dies gelingt ist aber nicht sicher. Die Verschuldung der Euro-Staaten liegt auch deutlich über die der EU-Staaten (85,7 % in 2015, steigend auf 87,2 % in 2017).

Fazit: Die Staaten nutzen die Ersparnisse aus niedrigen Zinsen nicht zur Schuldentilgung, sondern nehmen eher weitere Verbindlichkeiten (weniger für Investitionen als für Konsum) auf. Steigende Zinsen würden erhebliche Probleme bereiten.

6. Zinsen
Die EZB ist zumindest bis März 2017 auf das Ankaufsprogramm von Staats- und inzwischen auch Unternehmensanleihen festgelegt. Ziel ist es, die Inflation anzukurbeln. Ziel soll der Anreiz zu Kreditvergaben sein. Dies wird insofern nicht erreicht, da die Banken von eben dieser EZB durch Regulatorik immer mehr eingeschränkt werden, außerdem ist die Kreditnachfrage zu gering. Wegen der gesamtwirtschaftlichen Risiken (insbesondere in den südlichen EU-Staaten) geben die Banken nur restriktiv Kredite aus. Das Geld findet somit keinen Eingang in die „realen Wirtschaft“. Daher wurden die Leitzinsen auf „Null“ und die Anlagezinsen für Banken in den Negativbereich gesenkt. Das Ziel der EZB, die Inflation anzutreiben, wird mit diesen Maßnahmen verfehlt. Dennoch wird die EZB den bisherigen Kurs wohl fortführen. Die FED hat bei der Zinserhöhung in den USA erst einmal pausiert und wartet die weitere wirtschaftliche und Wechselkursentwicklung ab.

Fazit: Die kurz- und langfristigen Zinsen werden zumindest bis Anfang 2017 noch niedrig bleiben. Die Wahrscheinlichkeit weiter sinkender Zinsen im Jahresverlauf ist höher als das Risiko steigender Zinsen.
Zusammenfassung: Aufgrund des erwarteten BIP-Wachstums und Arbeitslosenzahlen wäre ein höheres Zinsniveau möglich. Die Inflationsprognosen gehen formal auch in die gewünschte Richtung der EZB. Allerdings ist festzustellen, dass wir in der Realität bei die „Null-Inflation“ angelangt sind – die wahrscheinlich auch 2016 anhalten wird. Dies wird auch durch einen niedrigen Ölpreis begünstigt, der auch noch längere Zeit nicht zu alten Höchstständen zurückfinden dürfte. Allerdings nutzen die Eurostaaten die niedrigen Zinsen nicht zur Schuldentilgung oder Investition, sondern weiten die Staatsverschuldung eher konsumtiv aus. Die Liste der Länder mit über 100 % des BIP an Schulden verlängert sich auf Griechenland, Italien, Portugal, Zypern, Belgien, Spanien. Diese Staaten sind abhängig von dauerhaft niedrigen Zinssätzen, um die Staatshaushalte finanzieren zu können. Außerdem kann eine Schuldenreduzierung der Euro-Staaten nur gelingen, wenn die Inflation nachhaltig über den Zinskosten liegt. Dies kann auf beiden Seiten erfolgen: Senken der Zinsen und / oder Erhöhung der Inflation. Beides zu erreichen bzw. zu beeinflussen scheint weiterhin die „Hidden Agenda“ der EZB zu sein. Daher wird die Niedrigzinspolitik vorerst anhalten. Ein Politikwechsel der EZB müsste langfristig vorbereitet werden.

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