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Heraklit

Von niedrigen Zinsen, hohen Zinsen und dem Morgen…

20.03.2023 Allgemein Keine Kommentare

Die aktuelle Zinssituation steht an einem Scheidepunkt. Seit Mitte 2021 stark gestiegen, könnte jetzt eine Stabilisierung erreicht sein, oder gar ein Wendepunkt?
 
Die Zinsen sind gestiegen da die Inflation das tat, was man seit der künstlichen Niedrigzinsphase in Folge der Staatsschuldenkrise eigentlich erwartete: Steigen. Dies tatsächlich nach der langen Verzögerung dann sprunghaft, die berühmte „Ketchupinflation“. Wir kenne alle das Bild: Erst kommt nichts au Ader Ketchupflasche, dann nach einem mehr oder weniger starken klopfen kommt alles auf einmal.“
 
Doch was sind die Ursachen? Die künstliche, durch die EZB gesteuerte Niedrigzinsphase („What ever it takes“) führte naturgemäß bei längerem Anhalten zu erheblichen Fehlentwicklungen. Im privaten Bereich konnten sich Firmen Geld für nahezu null leisten und kamen auf enorme Expansionsgedanken, Firmenübernahmen warne an der Tagesordnung. Die Rentabilität der Transaktion brauchte nicht hoch zu sein und kippte dann (siehe Monsanto) wohl auch mal schnell ins Negative. Welche Transaktionen wären wohl bei marktüblichen Zinsen unterblieben? Hier haben die niedrigen Zinsen eher einen gemischten Effekt gehabt. Im staatlichen Bereich haben die niedrigen Zinsen nicht dazu geführt, dass die Schuldenstaaten die Zinsersparnisse zur massiven Entschuldung genutzt hätten. Die wirtschaftliche Not war nicht mehr da und es konnten entweder sogar mehr Schulden aufgenommen und Maßnahmen für Wählerstimmen umgesetzt oder gefordert werden – oder es wurden gleich Parteien an die Macht gewählt, die es mit dem Haushalt und Stabilität in einem vereinten Europa nicht so ernst nehmen. So gesehen haben die niedrigen Zinsen zwar kurzfristig bei der Stabilisierung der Europzone geholfen, die Ursache des Problems aber nicht gelöst sondern tendenziell eher schlimmere. Zumal durch weitere Krisen wie Corona und jetzt dem Krieg in Europa weitere Zusatzbelastungen auf die Staaten der Eurozone zugekommen sind. 
 
Glücklicherweise haben die niedrigen Zinsen nicht direkt zu einer steigenden Inflation geführt.  Warum eigentlich nicht? Weil die Geldmenge durch die niedrigen Zinsen nicht so stark gestiegen ist wie zu erwarten war. Die niedrigen Zinsen haben nicht ZIA einer massiven Ausweitung von Krediten geführt, da die EZB auch die Regulatorik der Banken immer weiter verschärfte – und damit das eigene Ziel der besseren und günstigen Kreditversorgung insbesondere in den Problemstaaten konterkarierte. 
 
Dann kamen aber die Probleme bei der Lieferung von Rohstoffen, aus vielfältigen Gründen. Neben der sehr plakativen Ever-Given vor allem im Rahmen der Corona-Pandemie in Asien, die dann auch die Schwächen der Just-in-Time-Organisation gnadenlos offenlegte. DIese Angebotsverknappung führte dann zur Inflation, die dann natürlich nicht direkt mit Zinserhöhungen zu bekämpfen war – denn die Ursache war keine Überliquidität sondern die Tatsache, das die Nachfrage das Angebot deutlich überstieg. Hier konnte nur eine Abkühlung der Wirtschaft, eine Rezession also eine Absenkung der Nachfrage helfen – dies war das eigentliche Ziel der Zinserhöhungen. Die wirtschaftliche Abkühlung wird aber noch seine Rechnung in Form von Steuermindereinnahmen präsentieren, parallel zu gestiegenen Zinsen für die defizitären Staatshaushalte.
 
Natürlich hätte die EZB die künstlich niedrigen Zinsen nur für sehr kurze Zeit aufrechterhalten dürfen – und dann wieder den Markt die Zinsen regulieren lassen sollen. Aber es war natürlich überall sehr populär das „süße Gift“ der niedrigen Zinsen weiter zu verabreichen. Alle Staaten haben davon profitiert, die starken Staaten haben sich sogar ein wenig entschuldet. Die Schuldenstaaten haben weitergemacht wie immer. Sowohl Herr Draghi als auch Frau Lagarde waren bzw. sind Repräsentanten einer lockeren Geldpolitik und scheuten harte Schritte. Die dann ergriffenen Zinsschritte kamen zu spät und brauchen daher auch entsprechend länger um zu wirken. Es war leider auch wieder kein Gesamtpaket bedacht worden. So stehen nun wieder die Schuldenstaaten unter Zinsdruck, aber auch die Banken und andere Investoren, Pensionskassen und Kapitalsammelstellen beklagen die erheblichen Kursabschläge bei den Anleihen (insbesondere. Staatsanleihen), die teilweise existenzgefährdende Ausmaße angenommen haben. Wird jetzt hier gleich wieder ein Rettungsschirm von Nöten sein?
 
Was kann die EZB jetzt tun? Sie wird in absehbarer Zeit zumindest wieder verstärkt Staatsanleihen der europäischen Schuldenstaaten ankaufen müssen – und ggf. auch Anleihen privater Unternehmen, die diese zur Finanzierung ihrer Expansionen ausgegeben haben. Damit kommen wir der Gesamthaft aller Staaten für die Schulden der anderen wieder einen Schritt näher (Eurobonds). Diese zentrale Verschuldung wurde ja bereits für die Corona-Hilfspakete und jetzt für kriegsbedingte Schulden angewandt (werden).
 
Doch wie geht es weiter? Wie lange können wir uns in Europa die hohen Zinsen noch leisten? Zumal die europäischen Staaten – insbesondere die Schuldenstaaten des Südens – mit einer erhöhten Inflation durchaus anfreunden könnten, da diese die nominellen Schulden ordentlich entwertet. 10 Jahre 10% Inflation und alles ist gut? Nein, natürlich nicht. Das würde auch die europäische Wirtschaft wohl nicht überstehen. Aber tatsächlich verlieren in Zeiten hoher Inflation eher die Privathaushalte an Vermögen und Einkommen. Die Schuldner profitieren tendenziell.
 
Eine erhöhte Inflation mit niedrigeren Zinsen bei gleichzeitiger Stützung der Schuldenstaaten durch Staatsanleihekäufe, angereichert durch den Ankauf von Unternehmensanleihen würde wohl vielen Politikern gefallen. Die Wirtschaft wird tendenziell eher leiden, da Fachkräftemangel und Kaufkraftverluste durch die erhöhte Inflation deutlich schaden dürften.
 
Tatsächlich würde mehr Freiheit den Märkten die Möglichkeit geben die Zinsen auf ein vernünftiges Niveau einzupendeln. Fehlanreize und Fehlentwicklungen würden vermieden. Der Druck auf die Schuldenstaaten sich vernünftig zu reformieren würde wieder wachsen. Nachhaltige, langfristige Strategien wären zu entwickeln, statt nur auf die nächste EZB-Sitzung zu schauen. Staat und Zentralbanken können die Wirtschaft nicht dauerhaft steuern und so massiv beeinflussen. Zumal auch in Zeiten niedriger Zinsen und Baukosten nicht einmal das Wohnungsproblem durch Neubau vernünftig angegangen (Reduzierung der Komplexität der Genehmigungsverfahren dun Ausweisung von Bauland) oder gar gelöst wurde. 
 
Aber was wird wohl „morgen“ kommen? Die EZB könnte die aus basisstatistischen Gründen ab März niedriger ausfallende Inflation als Beleg einer erfolgreichen Politik werten und zuerst einmal mit den Zinserhöhungen pausieren. Es könnten sich dann die Märkte etwas beruhigen und Angebot und Nachfrage sich weiter annähern. Auch weitere Zweitrundeneffekte bei der Inflation könnten ggf.vermieden oder zumindest abgeschwächt werden. Weitere geopolitische Schocks (Ukrainekrise, China-Taiwan-Konflikt, Israel-Iran-Konflikt) könnten aber schnell zu neuen Herausforderungen führen.
 
Es spricht einiges dafür, dass die Zinsen in diesem Jahr ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Das kann im Sommer oder im Herbst sein. In der Folge könnten sich die Märkte vorläufig beruhigen – bis die nächsten geopolitischen Einschläge kommen. Es bleibt zu beobachten, wie sich die gesamte Wirtschaft insbesondere die Niedrigzinsprofiteure aber auch die Banken entwickeln. Letztere können zwar wieder besser Geld verdienen, haben aber noch länger an den Folgen der Niedrigzinsphase zu arbeiten (z. B. Anleihekurse, Risiken aus Immobilienfinanzierungen etc.). Im Immobilienbereich wird die noch ausstehende Preisanpassung an das „new normal“ zu Abschreibungen führen und so machen Projektentwickler mit seinen zuvor eingekauften Vorratsgrundstücken stark belasten. Für die Immobilienbranche wird auch die Entwicklung der Baupreissteigerung sehr wichtig sein…
 
 

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